Ihr Guide war ein ruhiger Mann namens Oskar, ein Lappländer, der so aussah, als sei er mit der Kälte und der Wildnis geboren worden. Mit seinem dichten Bart und den ruhigen Augen vermittelte er das Gefühl, dass nichts ihn erschüttern könnte. „Ihr werdet eine unvergessliche Nacht erleben“, versprach er, als sie sich in die Schlitten setzten, die von Rentieren gezogen wurden. Was er nicht erwähnte: Manche Dinge vergisst man wirklich nie.
Der Beginn der Safari: Magie in der Luft
Die ersten Stunden waren magisch. Die Kälte biss zwar in die Wangen, aber die klare Luft und der Anblick der Rentierherden, die durch den Schnee streiften, machten alles wett. Die Familie fühlte sich wie in einem Traum, während die Sterne am Himmel funkelten und die Nordlichter sanft über ihnen tanzten.
Oskar erzählte ihnen von der Bedeutung der Rentiere für die Sami, das indigene Volk Lapplands, und von den alten Legenden, die sich um die Tiere rankten. „Man sagt, sie können mehr sehen als wir“, sagte er geheimnisvoll. „Sie spüren, wenn etwas im Wald nicht stimmt.“
Herr Berger lachte nervös, doch ein unangenehmes Kribbeln kroch ihm den Rücken hoch. Warum hatte Oskar so etwas gesagt? War das nur eine lappländische Geschichte, um die Tour aufregender zu machen?
Dunkelheit im Wald: Die ersten Zweifel
Plötzlich, fast wie auf ein geheimes Zeichen hin, hielten die Rentiere an. Es gab keine erkennbaren Hindernisse, und der Weg vor ihnen war frei, aber die Tiere weigerten sich, weiterzugehen. Ihre Ohren waren gespitzt, die Nüstern blähten sich, und sie wirkten nervös. Oskar stieg vom Schlitten und sah sich um. „Bleibt hier“, murmelte er und verschwand in die Dunkelheit.
Die Familie wartete. Fünf Minuten. Zehn Minuten. Es war unheimlich still. Die Kälte kroch durch ihre Kleidung, und der Wind begann zu heulen, als die Nacht tiefer wurde. „Wo ist er hin?“, fragte Leonie leise, die normalerweise mutig war, aber jetzt fest an den Arm ihrer Mutter klammerte.
Dann hörten sie es: ein leises, rhythmisches Geräusch, wie das Knacken von Ästen. Es kam aus der Richtung, in die Oskar verschwunden war. Herr Berger rief nach ihm, doch es kam keine Antwort. Stattdessen wurde das Knacken lauter, näher – und plötzlich schien die Dunkelheit vor ihnen lebendig zu werden.
Der Wald erwacht: Etwas stimmt nicht
Aus den Schatten traten dunkle Gestalten hervor. Zuerst konnten sie sie nicht klar erkennen, aber dann erkannten sie die Form von Rentieren. Aber etwas war anders. Diese Rentiere hatten keine Augen, oder vielmehr schien in ihren Augen nichts außer schwarzer Leere zu sein. Ihre Geweihe waren größer, verzerrt, und ihre Bewegungen wirkten… falsch.
Die Tiere näherten sich langsam, und die Bergers spürten das pure Grauen. Die Rentiere, die sie zuvor gesehen hatten, waren friedliche, majestätische Kreaturen – doch diese… fühlten sich anders an. Leonie begann zu weinen, und Max klammerte sich an seinen Vater. „Was passiert hier, Papa?“, flüsterte er.
Herr Berger konnte es selbst nicht fassen. „Wir… wir müssen hier weg!“, rief er und versuchte, die Familie vom Schlitten zu ziehen. Doch die Rentiere, die den Schlitten gezogen hatten, blieben ebenfalls wie festgewachsen stehen, ihre Augen weit geöffnet, als hätten sie Angst vor den Schattenkreaturen, die näherkamen.
Die Rettung: Licht in der Dunkelheit
In diesem Moment tauchte Oskar wieder auf. In der Hand hielt er eine brennende Fackel, die er schnell in die Luft schwang. Die unheimlichen Rentiere hielten inne und schienen sich zurückzuziehen. „Steigt auf den Schlitten! Schnell!“, rief er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
Die Familie sprang zurück in den Schlitten, und Oskar trieb die Rentiere an. Der Schlitten schoss durch den Wald, während die seltsamen Kreaturen in der Dunkelheit verschwanden. Der Wind schien noch lauter zu heulen, als die Schatten von ihnen abließen.
Zurück in der Sicherheit: Ein Happy End
Nach einer halsbrecherischen Fahrt durch den finsteren Wald kamen sie schließlich wieder in der Nähe des Dorfes an. Die Lichter der Hütten und das Knistern des Lagerfeuers, das auf sie wartete, waren ein Anblick, der die Familie erleichtert aufatmen ließ.
„Was… was war das?“, stotterte Herr Berger, als sie sicher am Feuer saßen und heißen Tee tranken.
Oskar zuckte mit den Schultern. „Das sind die alten Schatten der Wälder. Sie kommen nur in Nächten wie dieser, wenn das Licht der Nordlichter den Himmel berührt und die Grenze zwischen den Welten dünn ist. Aber keine Sorge“, fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu. „Ihr habt es geschafft. Nicht jeder bekommt diese Geschichte zu erzählen.“
Die Bergers lachten nervös und zitterten immer noch ein wenig. Doch als sie später in ihren warmen Betten lagen, wussten sie: Dieses Abenteuer würden sie nie vergessen. Und trotz allem: Sie hatten es überstanden – und mit der Zeit würden sie auch wieder lachen können.
Das war die Nacht, in der sie mehr als nur Rentiere sahen. Und vielleicht, nur vielleicht, würden sie irgendwann wieder nach Lappland zurückkehren – aber diesmal vielleicht ohne Rentiersafari.