Ein Urlaub, den man so schnell nicht vergisst
Es war Barbara, meine Frau, die eines Abends beschloss, dass unser nächster Urlaub anders sein müsse. „Wir müssen mal raus aus der Stadt, ins Grüne. Was hältst du von Södermanlands län?“ fragte sie mich, während sie mit einem seltsam entschlossenen Lächeln den Laptop aufklappte. „Södermanlands län?“ wiederholte ich skeptisch, als ob sie mir einen exotischen Vorschlag gemacht hätte. „Wo zur Hölle liegt das?“
„In Schweden!“ sagte sie begeistert. „Es ist die perfekte Mischung aus unberührter Natur, charmanten Dörfern und alten Schlössern. Und es ist still. Keine Menschenmassen, keine lauten Städte. Einfach nur Ruhe.“
Ruhe. Ein Wort, das Barbara gerne benutzte, wenn sie mich in abenteuerliche Unternehmungen verwickeln wollte, die am Ende immer das Gegenteil von Ruhe beinhalteten. „Ja, ganz ruhig“, hörte ich mich sagen, während ich in Gedanken schon den Stress eines geplanten „ruhigen“ Urlaubs in Södermanlands län vor meinem inneren Auge sah.
Und so flogen wir einige Wochen später nach Stockholm, um dann mit dem Mietwagen ins Herz von Södermanlands län zu fahren. Die Landschaft war zweifellos schön – sanfte Hügel, weite Felder und ein Himmel, der sich wie eine beruhigende Decke über alles legte. Barbara summte fröhlich, während sie durch die malerischen Dörfer fuhr und dabei von einem Schloss zum nächsten schwärmte, das wir besuchen könnten. „Hier gibt es mehr Schlösser als Menschen!“, verkündete sie begeistert.
Nach einigen Stunden Fahrt erreichten wir schließlich unser Ziel: eine kleine Holzhütte am Ufer eines Sees, umgeben von dichten Wäldern. „Ist das nicht perfekt?“, fragte Barbara und zog mit triumphierendem Lächeln den Schlüssel aus ihrer Tasche. Ich, der noch immer damit haderte, dass ich den Fernseher gegen eine Hütte ohne Internetempfang eingetauscht hatte, nickte müde. „Perfekt“, murmelte ich, während ich mich fragte, ob es in Södermanlands län auch Hotels mit Zimmerservice gab.
Die Hütte war… nun ja, rustikal. Das Wort „gemütlich“ trifft es nur, wenn man keine zu hohen Ansprüche an eine funktionsfähige Heizung oder moderne Sanitäranlagen stellt. Der Herd in der Küche sah aus, als wäre er aus der Zeit von Gustaf Wasa, und die Dusche war so klein, dass ich mich fragte, ob sie für Elfen oder Menschen gedacht war. „Es ist authentisch“, erklärte Barbara zufrieden, während sie einen Blick auf das winzige Badezimmer warf. „Das ist echtes Schweden!“
Der erste Tag verlief relativ ruhig – wir gingen am See spazieren, Barbara sammelte ein paar Steine, die „besonders hübsch“ waren (was immer das heißen mag), und ich versuchte, meine Skepsis durch tiefes Ein- und Ausatmen zu dämpfen. „Sieh mal, wie still es hier ist“, sagte Barbara immer wieder, als ob sie die Stille persönlich bestellt hätte.
Am zweiten Tag sollte das Abenteuer beginnen. „Heute erkunden wir das Schloss Gripsholm!“, sagte Barbara voller Eifer, als wir ins Auto stiegen. Gripsholm, so las sie mir aus einem Prospekt vor, sei ein majestätisches Schloss, das die Geschichte Schwedens widerspiegelt und in Södermanlands län als Touristenmagnet bekannt sei. „Ein Schloss voller Geschichte und Kultur“, fügte sie begeistert hinzu. Ich hingegen überlegte, ob es dort wohl einen Kaffeeautomaten gab.
Als wir das Schloss erreichten, stellte sich heraus, dass „ruhig“ in Södermanlands län oft mit „menschenleer“ gleichgesetzt wird. Tatsächlich war das Schloss beeindruckend – von außen. Drinnen allerdings… herrschte eine Stille, die selbst für meinen Geschmack ein bisschen zu bedrückend war. „Ich glaube, wir sind die einzigen Besucher“, flüsterte Barbara, als wir durch die großen Hallen wanderten, in denen die Schritte auf dem Marmorboden wie kleine Explosionen klangen. „Das macht es doch umso authentischer!“, fügte sie hinzu.
Authentisch war auch der Schlossführer, der uns mit todernster Miene durch die Gänge führte, als ob er selbst schon seit Jahrhunderten hier lebte. „Und hier sehen Sie das berühmte Porträt von König Gustav Vasa“, erklärte er und blickte uns dabei an, als wäre es eine absolute Selbstverständlichkeit, dass wir tief beeindruckt sein müssten. „Sehr… ausdrucksstark“, sagte ich und betrachtete das Gemälde eines Mannes, der aussah, als hätte er sich gerade über das Frühstücksbuffet geärgert.
Barbara war völlig in ihrem Element, während ich versuchte, nicht allzu oft zu gähnen. Doch als wir schließlich wieder draußen im Auto saßen, war ich heimlich froh, dass das „kulturelle Highlight“ unseres Urlaubs abgehakt war. „Jetzt noch eine Wanderung durch den Nationalpark, und wir haben das volle Södermanlands län-Programm“, sagte Barbara fröhlich.
Am nächsten Tag fuhren wir also in den Nationalpark, von dem Barbara behauptete, er sei „ein echtes Paradies für Naturliebhaber“. Das klang schon nach Problemen. Barbara wollte wandern, ich wollte Kaffee. Wir begannen die Wanderung dennoch – ein schmaler Pfad, der durch den dichten Wald führte. „Ist es nicht friedlich hier?“, fragte Barbara nach fünf Minuten. Ich hatte noch nie eine solche Stille erlebt – eine, die fast schon bedrückend wirkte. Keine Vögel, kein Wind. Nichts. Nur wir, ein endloser Wald und meine blühende Fantasie.
Nach einer Stunde wurde mir klar, dass Barbara sich nicht an die Karte hielt, sondern ihrer „Intuition“ folgte. Diese Intuition brachte uns tief in den Wald, ohne eine Menschenseele in Sicht. „Ich bin sicher, der Weg führt bald wieder zum Parkplatz zurück“, sagte sie, als wir das dritte Mal an einem markanten Baumstumpf vorbeikamen.
„Bist du sicher, dass das Södermanlands län ist und nicht ein Paralleluniversum, in dem Menschen spurlos verschwinden?“, fragte ich trocken, doch meine Worte verhallten im Wald.
Als wir nach weiteren zwei Stunden – völlig erschöpft und hungrig – endlich wieder zum Auto zurückkamen, war ich mir sicher: Ich würde den Rest dieses Urlaubs damit verbringen, auf der Terrasse der Hütte zu sitzen und so zu tun, als wäre ich begeistert von der „ruhigen Idylle“.
Barbara strahlte trotzdem. „War das nicht großartig?“, fragte sie, während sie triumphierend die Wanderkarte in die Tasche stopfte. „Wir haben die Natur in vollen Zügen genossen.“
Ich sah sie an, lächelte müde und sagte: „Ja, Liebling, absolut großartig.“ In diesem Moment wurde mir klar, dass Södermanlands län uns nicht nur Stille, sondern auch die Fähigkeit schenkte, über uns selbst zu lachen.