Es war ein regnerischer Nachmittag, als die Familie Petersen die staubigen Straßen von Kalmar län entlangfuhr. Vater Hannes, Mutter Anna, und ihre beiden Kinder, die 14-jährige Emma und der 10-jährige Leon, hatten sich auf einen entspannten Urlaub in Südschweden gefreut. Sie hatten ein altes Ferienhaus in der Nähe eines dichten Waldes gemietet, weit abseits der Zivilisation. Es klang perfekt für ein paar ruhige Tage in der Natur, doch keiner ahnte, dass dieser Urlaub alles andere als ruhig verlaufen würde.
„Ich habe gelesen, dass Kalmar län voller Geschichte steckt“, sagte Anna, während sie den Reiseführer durchblätterte. „Alte Burgen, wunderschöne Seen und…“ Sie hielt inne. „Oh. Hier steht, dass die Wälder hier angeblich verflucht sind.“
„Verflucht?“ Emma sah von ihrem Handy auf. „Was meinst du damit?“
„Ach, nur irgendeine alte Legende“, winkte Anna ab. „Anscheinend sind Wanderer früher in den Wäldern verschwunden und wurden nie wieder gefunden.“
„Cool!“, rief Leon begeistert. „Können wir uns das ansehen?“
Hannes lachte. „Keine Sorge, wir werden keine verfluchten Wälder durchqueren. Aber vielleicht machen wir morgen einen kleinen Spaziergang. Es soll hier tolle Wanderwege geben.“
Das Ferienhaus lag abgelegen, nur umgeben von dichten, dunklen Wäldern. Als sie ankamen, spürte Anna ein leichtes Unbehagen. Das Haus war alt, mit knarrenden Holzdielen und dicken Staubschichten, als wäre es schon seit Jahrzehnten unbewohnt. „Sieht… gemütlich aus“, sagte Hannes mit einem gezwungenen Lächeln.
In der ersten Nacht schliefen sie unruhig. Das Knarzen des Hauses, das leise Rauschen des Windes und das Kratzen der Äste an den Fenstern erzeugten eine unheimliche Atmosphäre. Emma wachte gegen Mitternacht auf und hatte das Gefühl, als ob jemand oder etwas draußen um das Haus schlich. Sie stand auf, ging zum Fenster und spähte hinaus. Nichts. Nur der Wald, der still und bedrohlich in der Dunkelheit lag. Doch sie konnte sich nicht des Gefühls erwehren, dass sie beobachtet wurde.
Am nächsten Tag beschlossen sie, den Wald in der Nähe zu erkunden. „Kommt, wir machen einen kleinen Ausflug“, schlug Hannes vor. Die Kinder, neugierig auf die geheimnisvollen Wälder von Kalmar län, waren sofort dabei. Anna hingegen war zögerlich. Etwas an dem Wald ließ sie frösteln. Es fühlte sich an, als ob die Bäume sie beobachteten, als sie tiefer hinein gingen.
Nach einer Stunde Wandern passierte es: Plötzlich verdichtete sich der Nebel, und der Wald schien sich um sie herum zu verändern. Die vertrauten Pfade verschwanden, und der dichte Nebel verschlang alles, was sich vor ihnen erstreckt hatte. Hannes versuchte, den Weg zurückzufinden, doch der Pfad, dem sie gefolgt waren, war wie vom Erdboden verschluckt.
„Wir sind verloren“, flüsterte Emma. Leon klammerte sich ängstlich an Annas Arm. „Papa, wo sind wir?“
Hannes versuchte, die Fassung zu bewahren, doch auch er war unsicher. „Bleibt ruhig. Wir werden schon den Weg zurückfinden.“
Doch der Wald von Kalmar län war nicht bereit, sie so einfach gehen zu lassen. Immer wieder glaubten sie, seltsame Geräusche zwischen den Bäumen zu hören – ein Flüstern, das im Wind lag, Schritte, die leise hinter ihnen knisterten. Emma sah sich ständig um, in der Überzeugung, dass jemand oder etwas ihnen folgte. Der Wald schien sich zu bewegen, die Bäume schienen näher zu kommen, je weiter sie gingen. Und immer wieder das Gefühl, dass sie beobachtet wurden.
Plötzlich stand eine Gestalt vor ihnen. Ein alter Mann mit einem zerfurchten Gesicht und tiefen, dunklen Augen. Er trug eine abgenutzte, schwarze Robe und stützte sich auf einen krummen Stock. „Ihr seid weit vom Weg abgekommen“, sagte er mit krächzender Stimme.
„Können Sie uns helfen?“, fragte Hannes, die Erleichterung in seiner Stimme war unverkennbar.
Der alte Mann sah sie lange an, bevor er sprach. „Es gibt Dinge in diesen Wäldern, die man nicht verstehen kann. Dieser Ort ist verflucht, seit Jahrhunderten. Die, die den Wald betreten, finden oft nicht mehr heraus.“ Seine Augen schienen direkt in ihre Seelen zu blicken. „Folgt mir. Vielleicht gibt es noch Hoffnung.“
Die Familie folgte ihm, unsicher, aber ohne andere Wahl. Der alte Mann führte sie tiefer in den Wald hinein, und mit jedem Schritt schien der Nebel dichter zu werden. Emma hatte das Gefühl, dass die Schatten um sie herum tanzten, sich bewegten, obwohl da nichts war.
„Warum hilft er uns?“, flüsterte Anna nervös. „Wer ist dieser Mann?“
Doch bevor sie Antworten finden konnten, blieben sie an einer kleinen Lichtung stehen. Der Nebel lichtete sich ein wenig, und das Mondlicht brach durch die dichten Baumwipfel. Der alte Mann blieb stehen und wandte sich zu ihnen um. „Hier endet der Fluch“, sagte er. „Geht geradeaus, und ihr werdet sicher zurückkehren.“
Hannes bedankte sich hastig, doch bevor er noch etwas fragen konnte, war der Mann verschwunden – als hätte er sich im Nebel aufgelöst. Die Familie stand da, perplex und verwirrt. Doch sie folgten seiner Anweisung und gingen weiter. Zu ihrer Überraschung lichtete sich der Wald, und bald erkannten sie den Weg zurück zum Ferienhaus.
Als sie endlich wieder in ihrem Haus ankamen, war die Erleichterung groß. Sie hatten das Gefühl, dem Wald gerade noch so entkommen zu sein. In der darauffolgenden Nacht schliefen sie tief und fest, ungestört von Geräuschen oder unheimlichen Gefühlen. Doch als sie am nächsten Morgen aufwachten, fanden sie vor der Tür des Hauses eine alte, schwarze Robe und einen krummen Stock – genau wie der, den der alte Mann getragen hatte.
„War das alles nur ein Traum?“, fragte sich Hannes laut.
Anna schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Aber eines ist sicher: Der Wald von Kalmar län birgt Geheimnisse, die wir nie ganz verstehen werden.“
Die Familie Petersen verließ Kalmar län kurz darauf, doch das Erlebnis würde sie für immer in Erinnerung behalten. Was auch immer in diesen Wäldern lauerte, sie waren dem Fluch entkommen – und würden die mysteriöse Gestalt nie vergessen, die ihnen den Weg gezeigt hatte.