Dein irrwitziger Aufstieg in die Nordschwedische Wildnis
Du klammerst Dich an einen viel zu wuchtigen Rucksack, während der Bus über eine schmale Schotterpiste rattert, die scheinbar direkt in die unendliche Dunkelheit Nordschwedens führt. Die Sitze quietschen in einer kaum zu ertragenden Symphonie, die sich mit dem Gekicher zweier älterer Damen mischt, die hinter Dir sitzen. Warum sie kichern, ist Dir schleierhaft. Vielleicht haben sie ahnungslos denselben Plan wie Du: Wandern in Nordschweden – eine Idee, so verheißungsvoll wie verrückt.
Der Busfahrer wirft Dir einen müden Blick zu, den Du zunächst als Sorge deutest, weil Du Dich an Deinem Rucksack festbeißt wie ein Koala am Eukalyptus. Doch dann merkst Du, dass er lediglich darauf wartet, den nächsten tiefen Schlag auf dieser Straße zu umkurven, und insgeheim hoffst Du, er schaffe es. Du zählst Deine kostbare Wanderausrüstung im Kopf durch, blinzelst Richtung Fensterscheibe – und erblickst dichte Wälder, in denen jederzeit ein Elch-Kongress stattfinden könnte.
Kapitel 1: Das Erstgespräch mit dem Elch
Schließlich hält der Bus an einer gottverlassenen Haltestelle mitten im Nirgendwo. Du steigst aus und spürst die beißende Kälte auf Deinen Wangen, während sich die Motorengeräusche des Busses in der Ferne verlieren. Du bist allein. Nur ein schiefes Holzschild mit dem mysteriösen Ortsnamen „Myrknacken“ ist Dein Wegweiser. Ein einsamer Rabe krächzt über Dir.
Gerade hast Du beschlossen, Dich in die dunkelgrüne Umarmung des Waldes zu wagen, als plötzlich – wie aus dem Nichts – ein massiger Elch hinter einem Baum hervortritt. Er starrt Dich an, als würdest Du gleich mit ihm über politische Reformen diskutieren wollen. Verwirrt fragst Du Dich, ob Du ihm für die Passage in sein Revier bezahlen musst, so wie man einer Brückentroll-Legende Geld zusteckte. Doch das Tier schnauft nur, wackelt mit seinen imposanten Schaufeln und trollt sich gemächlich. Du bist erleichtert – es war sicher nur ein Begrüßungskomitee der nordschwedischen Art.
Du machst Dich schließlich auf den Weg, um das zu tun, was Du Dir so heroisch vorgenommen hast: Wandern in Nordschweden. Der Wald empfängt Dich mit moosigen Wegen, die sich um bizarre Felsformationen schlängeln. Ein sanfter Nadelgeruch kitzelt Deine Nase, und Du fühlst Dich, als würdest Du in eine Traumwelt eintreten.
Kapitel 2: Mücken, die unbesiegbaren Minivampire
Bereits nach wenigen Metern zieht eine feindliche Armee am Himmel auf: Mücken, so zahlreich und kampfbereit, dass Du glaubst, in einen Fliegerhorst geraten zu sein. Du versuchst, sie durch hektisches Wedeln zu vertreiben, doch die Biester lassen sich nicht einschüchtern. Mit jedem Schritt, den Du in diesem wundersamen Land tust, folgst Du einer Wolke aus sirrenden Fängen.
Du kramst verzweifelt in Deinem Rucksack nach dem Moskito-Netz, das Dir der hochkompetente Outdoor-Fachverkäufer in einem langen Monolog empfohlen hatte. Kaum hast Du es über Deinen Kopf gestülpt, spürst Du, wie die Viecher ihr Glück erst recht versuchen. Du hörst ein entferntes Summen, das fast harmonisch klingt – als wärst Du das Instrument für ihr Kriegsorchester. Immerhin, denkst Du bei Dir, so ein Netz muss noch mehr Nutzen haben: Vielleicht startest Du nach dieser Tour eine Karriere als Imker oder Radioantenne.
Kapitel 3: Die Moor-Labyrinth-Prüfung
Nach Stunden, die sich wie Tage anfühlen, lichtet sich der Wald. Vor Dir breitet sich ein gigantisches Hochmoor aus, das in einem schimmernden Grünbraun im Abendlicht glitzert. Du kannst gar nicht anders, als in großen Sätzen hineinzuhopsen – erst vorsichtig, dann immer ausgelassener. Doch Deine romantischen Vorstellungen schwinden schnell, als das Moor Dir klebrige Grüße an die Wanderschuhe schickt und Deine Hose in nassen Schlamm taucht.
Mit jedem Schritt platscht es, als würdest Du in einem Puddingtopf waten. Einer dieser Schritte wird zu lang und Du ruderst wild mit den Armen, um nicht in der sapsenden Masse zu versinken. Deine Füße schwimmen in Matsch, doch Du grinst zwischen den Mückenstichen hindurch, weil der Gedanke an Wandern in Nordschweden mit jedem Schlammspritzer noch absurder erscheint.
Kapitel 4: Eine Hütte voller Überraschungen
Nachdem Du Dich endlich aus dem Moor befreit hast – Deine Stiefel um ein halbes Kilo Schlamm schwerer – erblickst Du am Waldrand eine kleine Hütte mit roter Fassade, die so schief ist, als hätte sie vor lauter Langeweile beschlossen, ihren rechten Winkel zu verlieren. Du stolperst die wackligen Holzstufen hinauf und drückst die quietschende Tür auf.
Kaum hast Du einen Fuß hineingesetzt, stürzt ein betagter, aber rüstiger Schwede auf Dich zu, der Dir einen dampfenden Metallbecher in die Hand drückt. „Hallå, mein Freund! Skål!“ ruft er laut und nimmt selbst einen Schluck aus einem kleineren Gefäß, das sehr nach einem Zahnputzbecher aussieht. Du zuckst mit den Schultern, probierst den Aufguss – und stellst fest, dass es sich wohl um den stärksten Kaffee der Welt handelt, gemischt mit einem guten Schuss Unbekanntem.
Der alte Mann – er stellt sich als Alf vor – will Dich scheinbar unterhalten. Plötzlich zaubert er eine Mundharmonika aus seiner Jackentasche und jagt Dir fröhliche Folk-Melodien um die Ohren. Du nickst brav, während Du das Gefühl hast, die Hütte beginnt im Takt zu wippen. An den Wänden hängen Hirschgeweihe, Winterjacken, Angelsehnen und ein einzelner Schlittschuh, dessen Zweck sich Dir nicht erschließen will.
Kapitel 5: Die Polarnacht-Disko
Als Du Dich ausruhen willst, geht Alf nach draußen und deutet auf den Himmel. Die Sonne senkt sich träge, aber sie verschwindet nicht wirklich. Stattdessen taucht sie in ein magisch rotes Licht, das Deine Umgebung in eine skurrile Abenddämmerung verwandelt. Du stolperst nach draußen, wo ein eisiger Wind Dir rote Wangen zaubert, und beginnst, in Deinem dicken Mantel zu tanzen – im Rhythmus der Mundharmonika, des Möwengekreischs und Deines eigenen Herzschlags.
Du lachst laut, als Dir Alf plötzlich eine kleine Laterne reicht und Dir zuflüstert, dass die Nacht hier nie so ganz dunkel werde. Sogleich stellst Du Dir vor, wie Du in diesem ewigen Zwielicht zurück zum Moor watschelst, um Mücken-Tango zu tanzen. Deine Vorstellungskraft spielt verrückt: Vielleicht lauscht irgendwo dahinter der Elch von vorhin und klappert begeistert mit seinen Schaufeln.
Kapitel 6: Die Morgensonne als Krönung
Gegen vier Uhr in der Früh realisierst Du, dass Schlaf eine verlockende, aber völlig überschätzte Idee sein könnte. Die Sonne kriecht bereits wieder über den Horizont, als wolle sie sich für die fünf Minuten Dämmerung entschuldigen, die sie Dir immerhin gegönnt hat. Du reibst Dir die Augen und fühlst Dich müde und energiegeladen zugleich – ein seltsames Paradox, hervorgerufen durch diesen Ort, der keine richtige Nacht kennt.
Alf schenkt Dir zum Abschied einen kleinen geschnitzten Elch aus Holz. „Souvenir“, sagt er und zwinkert Dir zu. Du bedankst Dich mit einem heiseren Lachen, wirfst Deinen Rucksack über und marschierst wieder hinaus in die Weite. Trotz verschlammter Schuhe, unzählbarer Mückenstiche und eines völlig durcheinander gewirbelten Tag-Nacht-Rhythmus spürst Du: Dieses Abenteuer hat gerade erst begonnen.
Epilog: Der bleibende Wahnsinn
Während Du Dich entfernst, hörst Du Alf hinter Dir immer noch auf seiner Mundharmonika spielen. Du atmest tief ein und denkst an Deine geplanten Ziele, von denen Du vielleicht nur eines sicher weißt: Wandern in Nordschweden ist verrückt, berauschend und voller Überraschungen. Wer braucht schon Vorhersehbarkeit, wenn Dich hinter jedem Baum ein Elch belauern, hinter jeder Hütte ein Musikant lauern und in jedem Moor ein Schlammmonster nach Dir greifen kann?
Du hast Deinen Anteil am nordischen Wahnsinn geleistet und kannst es kaum erwarten, noch tiefer in die Wildnis vorzudringen. Noch mehr Mücken, mehr Elche, mehr Absurditäten warten – und Du bist bereit, sie alle mit offenen Armen zu umarmen.
So stapfst Du voran, inmitten der ungezähmten Natur, bepackt mit Erinnerungen an einen skurrilen Abend, bei dem Du die Grenzen von Tag und Nacht neu definiert hast. Und vielleicht, ganz vielleicht, tanzt Du in Gedanken immer noch mit den Mücken im Schein der Polarnacht.