Also weiter. Nicht einschüchtern lassen. Alles war ja schön: bunte Türen, blitzblanke Pflastersteine und ein Duft nach Geschichte, Fischsuppe und ganz leichtem Wahnsinn.
Dann tratst du in die sogenannte „Rosengasse“. Und kamst nicht wieder raus.
Der Zwischenfall mit der Mittelalter-Kita
Dort stand eine Kindergartengruppe in mittelalterlicher Vollausstattung. Helme, Schwerter, pure Entschlossenheit. Du wolltest höflich lächeln, vielleicht sogar ein Foto machen – doch plötzlich rief eines der Kinder: „INTRÄNGARE!“
Und dann rannten sie los. Auf dich. In Formation.
Du flüchtetest panisch durch Gassen, über Hinterhöfe und durch ein Café, in dem jemand dir einen Flammkuchen an den Kopf warf. Später sagte man dir, es sei ein Rollenspiel gewesen. „Sie waren der Feind.“
Na dann, danke auch.
Du suchtest Zuflucht in der Stadtmauer. Ein sicherer Ort, dachtst du – altes UNESCO-Gemäuer, seriös, stabil. Außerdem hattest du einen Flyer.
Was du nicht wusstest: Der südliche Mauerbogen ist offenbar besonders kuschelig – er saugte dich an wie eine übermotivierte Tante an Weihnachten.
Das Wandmauerphänomen
Du stecktest fest. Wirklich. In Gotland. In der Mauer. Und niemand schien sich groß zu wundern.
Eine ältere Dame mit Kamera und Dackel ging an dir vorbei, sah dich kaum an und sagte nur trocken: „Det händer ibland. Muren gillar vissa turister.“ – „Das passiert manchmal. Die Mauer mag bestimmte Touristen.“
Aha. Du warst offenbar „Typ: besonders mörtig-genießbar“.
Mit Hilfe eines Pärchens aus Göteborg, zwei Selfiesticks und einem halben Becher Leberwurst wurdest du befreit. Du lachtest, du weintest, du warst entschlossen, die Altstadt nächstes Mal lieber im Reiseführer zu besuchen.
Doch da wusstest du noch nichts vom Stortorget.
Die Versteigerung deiner Seele auf dem Marktplatz
Der zentrale Platz war ein einziges mittelalterliches Spektakel: Musik, Menschen in Gewändern, Verkaufsstände und dieser Duft von verbranntem Zucker und Abenteuer. Du entspannst dich. Kurz.
Dann spricht dich eine historische Marktspielerin an. Du antwortest in deinem sorgfältig einstudierten Touri-Schwedisch: „Jag är ny här.“ – „Ich bin neu hier.“
Sie lacht schrill, ruft etwas – und plötzlich starren dich alle an.
Du bist jetzt Teil eines Theaterspiels. Versteigert wird: du.
„Eine Person aus fernen Landen, kräftig gebaut, kann lesen – bietet jemand mehr als zwei Elche und ein Fässchen Hering?“
Du denkst noch: „Das kann nicht wahr sein.“ Aber der Auktionator fragt schon nach deinem Gewicht.
Gotland Altstadt besuchen? Unbedingt. Aber nimm ’nen Helm mit.
Du hast es überlebt. Irgendwie.
Du kamst raus – aus der Stadt, aus der Mauer, aus dem Rollenspiel. Ein Lehrer aus Malmö hat dich freigekauft, weil er dachte, du gehörst zur Inszenierung.
Aber du bist nicht mehr derselbe.
Wenn du heute erzählst, dass du die Gotland Altstadt besucht hast, fängst du nicht nur an zu lachen – du zuckst auch ein bisschen. Deine Knie knirschen. Mittelaltermusik verursacht leichte Flashbacks.
Aber hey – du hast den Kühlschrankmagneten gekauft. Und darauf kommt’s doch am Ende an.