Ein Abenteuer ohne Happy End
Es war Barbara, meine Frau, die eines Tages mit leuchtenden Augen vor mir stand und verkündete: „Dieses Jahr fahren wir nach Stockholms län! Eine wunderschöne Region mit Inseln, Natur und… oh, ich habe gelesen, man kann dort Kajak fahren!“ Ich legte das Buch, das ich gerade las, zur Seite und sah sie an. Kajak fahren? Ich, der sich bereits beim Gedanken an sportliche Aktivitäten übermäßigen Schweißausbrüchen hingab, sollte in einem instabilen Boot über schwedische Gewässer paddeln? „Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?“ fragte ich vorsichtig.
„Natürlich!“ Barbara lächelte triumphierend, als hätte sie gerade die ultimative Lösung für all unsere Urlaubsprobleme gefunden. „In Stockholms län kann man die Ruhe genießen und die Schönheit der Natur erleben. Und dazu gehören natürlich auch die Schären.“
Schären – ein Wort, das ich nur aus Dokumentationen kannte. Diese kleinen Inseln vor der Küste Schwedens sahen im Fernsehen immer aus, als wären sie direkt aus einem Gemälde entsprungen, aber im echten Leben? Nun ja, ich war skeptisch. „Na gut“, seufzte ich, „Stockholms län klingt in der Theorie jedenfalls friedlich.“
Einige Wochen später fanden wir uns dann tatsächlich in Stockholm wieder, um unser „Abenteuer“ in Stockholms län zu beginnen. Der Plan war klar: ein paar Tage die Stadt genießen, danach raus in die Natur und – wie konnte es anders sein – Kajak fahren. Barbara hatte bereits eine Unterkunft in einem kleinen Häuschen auf einer dieser besagten Schären gebucht. „Das wird herrlich“, versicherte sie mir immer wieder. „Wir werden paddeln, die Sonne genießen und die schwedische Gelassenheit aufsaugen!“
Der erste Teil unseres Urlaubs verlief tatsächlich erstaunlich ruhig. Stockholm präsentierte sich in all seiner majestätischen Schönheit. Wir schlenderten durch die Altstadt, besuchten das Vasa-Museum und tranken Kaffee in hippen Cafés, wo man das Gefühl hatte, jede Bestellung müsse mit einem tiefen Verständnis für skandinavisches Design einhergehen. „Ich mag Stockholm“, sagte ich zu Barbara, während wir am Ufer des Mälaren-Sees saßen. „Es ist friedlich, kulturell und… fest verankert auf dem Festland.“
Barbara lachte. „Warte nur, bis wir auf die Schären kommen. Da fängt der richtige Urlaub an.“
Der Tag des „richtigen Urlaubs“ kam schneller als mir lieb war. Nachdem wir mit einem Boot zu unserer kleinen, abgelegenen Schäre übersetzt waren, stand ich vor dem Häuschen, das Barbara gebucht hatte, und konnte nur staunen. Das Wort „rustikal“ war hier eindeutig euphemistisch verwendet worden. Es handelte sich um eine winzige Hütte, die aussah, als wäre sie in den 1950er Jahren stehen geblieben – ohne Heizung, ohne WLAN und, wie sich später herausstellte, auch ohne warmes Wasser. „Es ist authentisch“, sagte Barbara, als ob das die Situation besser machen würde. „Das ist echtes Stockholms län.“
Authentisch oder nicht, ich sehnte mich nach einem Fünf-Sterne-Hotel und einem gut gefüllten Minibar. Doch Barbara war fest entschlossen, das Beste aus der Situation zu machen. „Morgen fahren wir Kajak“, verkündete sie beim Abendessen, das aus Dosenbohnen und Brot bestand. „Das wird großartig!“
Am nächsten Morgen stand Barbara früh auf und bereitete uns auf den großen Moment vor. Ich selbst fühlte mich wie ein Todeskandidat, der seine letzte Mahlzeit zu sich nimmt, während sie das Kajak zu Wasser ließ. „Es ist ganz einfach“, erklärte sie fröhlich, „du setzt dich rein, paddelst ein bisschen und schon gleitest du dahin wie ein Profi.“
„Ich bezweifle, dass ich jemals irgendwohin gleiten werde“, murmelte ich und kletterte unsicher in das wackelige Gefährt. Die ersten Minuten verliefen tatsächlich besser, als ich erwartet hatte. Ich paddelte, Barbara paddelte – und siehe da, wir bewegten uns tatsächlich in die gewünschte Richtung. Ich begann sogar, mich zu entspannen.
Doch dann kam der Wind.
Zuerst war es nur eine leichte Brise, die angenehm über die Schären wehte. Doch innerhalb weniger Minuten entwickelte sich diese Brise zu einem ausgewachsenen Sturm – zumindest fühlte es sich für mich so an. Unser Kajak schaukelte bedrohlich, und bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte der Wind uns erfasst und trieb uns ab. „Das ist nicht gut“, rief ich, während ich verzweifelt versuchte, die Kontrolle über das Kajak zu behalten. Barbara schien unbeeindruckt. „Paddel einfach weiter!“, rief sie über den Wind hinweg.
Leichter gesagt als getan. Während Barbara tapfer paddelte, ruderte ich wie ein Ertrinkender, der nach einem Strohhalm greift. Das Kajak schaukelte gefährlich, und ich begann, die Schären nicht mehr als idyllisches Urlaubsziel, sondern als feindliche Umgebung zu betrachten. „Warum tun Menschen das freiwillig?“, fragte ich mich, während der Wind uns immer weiter von der Schäre wegtrieb.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich mir sicher war, dass dies unser letzter Urlaub sein würde, schafften wir es irgendwie, uns wieder ans Ufer zu kämpfen. Ich war durchnässt, erschöpft und, um ehrlich zu sein, ziemlich wütend. „Nie wieder Kajak“, keuchte ich, während ich mich mühsam an Land schleppte.
Barbara hingegen lachte. „Das war doch aufregend!“
„Aufregend?“ Ich sah sie entgeistert an. „Wir wären beinahe in die Ostsee abgetrieben!“
Trotz meiner Beschwerden verbrachte ich den Rest des Urlaubs damit, Barbara zu folgen, während sie uns von einem „absoluten Geheimtipp“ zum nächsten schleifte. Ich lernte, dass die Schären von Stockholms län zwar landschaftlich atemberaubend waren, aber auch ihre Tücken hatten – besonders, wenn man sie in einem instabilen Kajak erkundet.
Am letzten Tag, als wir endlich wieder in Stockholm waren, seufzte ich erleichtert auf. „Weißt du“, sagte ich zu Barbara, „ich habe viel gelernt in diesem Urlaub. Zum Beispiel, dass Ruhe und Abenteuer nicht zusammenpassen – zumindest nicht für mich.“
Barbara lächelte und schüttelte den Kopf. „Ach, Stockholms län hat uns doch herausgefordert, und jetzt können wir sagen, dass wir es geschafft haben!“
„Ja“, stimmte ich zu, „geschafft haben wir es. Aber nächstes Mal machen wir Urlaub in einem Wellness-Hotel.“
Obwohl ich den Urlaub in Stockholms län überlebt hatte, war ich mir sicher, dass ich die Schären noch lange in meinen Albträumen sehen würde – schwankend, windgepeitscht und mit einem unbezwingbaren Kajak unter mir. Aber wie Barbara immer sagte: „Es ist doch die Erfahrung, die zählt.“