Wie ich versuchte, in der Mitternachtssonne zu schlafen
Es gibt Orte auf der Welt, die einen sofort zum Nachdenken bringen, ob man nicht vielleicht einen Fehler gemacht hat. Norrbottens län war für mich so ein Ort. Wie so oft begann alles mit einem scheinbar harmlosen Vorschlag von meiner Frau. „Lass uns nach Norrbottens län fahren“, sagte sie eines Abends, während sie in einem Reiseführer blätterte.
„Was ist denn das Besondere an Norrbottens län?“, fragte ich skeptisch, in der Hoffnung, dass die Antwort irgendeine kleine, unbedeutende Attraktion wäre, die man in 20 Minuten abhaken könnte.
„Die Mitternachtssonne!“, rief sie begeistert. „Es wird im Sommer nie dunkel! Stell dir das vor, 24 Stunden Tageslicht!“
Jetzt muss man wissen, dass ich ein Mensch bin, der Dunkelheit schätzt. Dunkelheit bedeutet Schlaf, und Schlaf ist für mich eine der schönsten Erfindungen der Menschheit. Die Vorstellung, 24 Stunden am Tag von grellem Licht umgeben zu sein, erschien mir ungefähr so verlockend wie ein Urlaub auf dem Pluto. Aber meine Frau hatte diesen entschlossenen Blick, den sie immer bekommt, wenn sie eine „großartige“ Idee hat.
Und so fuhren wir wenig später nach Norrbottens län, den nördlichsten Zipfel Schwedens, wo es im Sommer tatsächlich nicht dunkel wird. Wir kamen in einer kleinen Hütte an, die von unzähligen Mücken und einigen zufriedenen Rentieren umgeben war. „Ist das nicht herrlich?“, fragte meine Frau, als sie die frische Luft einatmete.
„Ja, wunderschön“, murmelte ich und schlug nach der zwanzigsten Mücke.
Doch das wahre Problem begann erst in der Nacht. Oder besser gesagt, in der „Nacht“, die eigentlich ein missverstandener Nachmittag war. Um 23 Uhr stand die Sonne noch hoch am Himmel und schien direkt in unser Hüttenzimmer. „Das ist doch nicht normal“, murmelte ich, während ich den Vorhang zuziehen wollte – nur um festzustellen, dass es keine Vorhänge gab. „Warum gibt es hier keine Vorhänge?“, fragte ich fassungslos.
„Wir sind in Norrbottens län“, erklärte meine Frau geduldig. „Hier braucht man keine Vorhänge, weil es im Winter ständig dunkel ist. Die Leute hier schätzen das Licht.“
„Ich schätze das Licht nicht“, sagte ich und versuchte, meine Augen mit einem Kissen abzudecken. Doch die Sonne, wie ein böswilliger Scheinwerfer, fand ihren Weg durch jede noch so kleine Lücke. Es war, als hätte die Natur entschieden, mich persönlich zu ärgern.
„Schlaf doch einfach“, meinte meine Frau, die sich anscheinend mühelos an die ewige Helligkeit anpassen konnte.
„Schlaf?“, rief ich verzweifelt. „Wie soll man schlafen, wenn die Sonne einem direkt ins Gesicht sticht?“
Nach einer schlaflosen Stunde beschloss ich, einen Spaziergang zu machen. „Vielleicht ermüdet mich die Bewegung“, dachte ich naiv. Also schlich ich mich hinaus und stellte fest, dass das ganze Dorf hell erleuchtet war, als wäre es Mittag. Die Einheimischen saßen fröhlich auf ihren Veranden, tranken Kaffee und unterhielten sich, als wäre es das Normalste der Welt. „Wollt ihr nicht schlafen?“, fragte ich einen Mann, der mich freundlich anlächelte.
„Warum schlafen?“, fragte er zurück. „Es ist doch noch hell.“
„Ja, genau das ist mein Problem“, murmelte ich und ging weiter, immer auf der Suche nach einem Fleck Dunkelheit, den es hier offensichtlich nicht gab.
Zurück in der Hütte fand ich meine Frau tief und fest schlafend vor. Ich schlich mich ins Bett, wickelte mich komplett in die Decke ein und versuchte, mich der Illusion hinzugeben, dass es dunkel war. Doch die Sonne, diese grausame Mitternachtssonne, ließ sich nicht so einfach täuschen. Sie glühte weiterhin durch jede Ritze, als wolle sie mich bestrafen.
Am nächsten Morgen, oder besser gesagt, nach dieser endlosen Nacht, weckte mich meine Frau fröhlich. „Gut geschlafen?“, fragte sie unschuldig.
„Wie soll man in einem Glutofen schlafen?“, antwortete ich und fühlte mich wie ein schlecht durchgebratener Hering.
Aber das war nicht das Ende. An diesem Tag stand eine „großartige“ Aktivität auf dem Plan: eine Wanderung durch die wunderschöne Natur von Norrbottens län. „Du wirst es lieben“, sagte meine Frau enthusiastisch. „Die Sonne ist 24 Stunden am Tag mit uns!“
„Genau das befürchte ich“, murmelte ich und zog meine Wanderschuhe an.
Wir wanderten durch die unendlichen Weiten von Norrbottens län, vorbei an glitzernden Seen und majestätischen Bergen. Die Natur war tatsächlich atemberaubend – wenn man nicht gerade damit beschäftigt war, die immer anwesende Sonne zu verfluchen. Nach ein paar Stunden, als ich mich wie ein Brathähnchen fühlte, schlug ich vor, eine Pause zu machen.
„Wir sollten uns doch irgendwo im Schatten ausruhen können“, meinte ich optimistisch. Doch in Norrbottens län gibt es keinen Schatten, nur Sonne, Sonne und nochmal Sonne. Ich setzte mich auf einen Stein und hielt mir verzweifelt die Hand über die Augen. „Wann wird es endlich dunkel?“, fragte ich, doch die Antwort war klar: in etwa drei Monaten.
Am Ende der Reise verließ ich Norrbottens län völlig übermüdet, sonnenverbrannt und mit einer tiefen Dankbarkeit für das, was ich vorher nie zu schätzen wusste: Dunkelheit. Als wir zurück zu Hause ankamen, zog ich die Vorhänge zu und genoss das Gefühl, endlich wieder im Schatten zu sein.
„War das nicht ein unvergessliches Erlebnis?“, fragte meine Frau, als sie unser Gepäck auspackte.
„Unvergesslich, ja“, sagte ich und legte mich ins Bett, in eine gemütliche Dunkelheit gehüllt. „Aber nächstes Mal fahren wir nach Finnland – im Winter.“