Eine Lektion in schwedischer Gelassenheit
Es war Sommer, und meine Frau Barbara, ihres Zeichens eine unermüdliche Verfechterin des Aktivurlaubs, hatte sich in den Kopf gesetzt, dass wir dieses Jahr nach Dalarnas län fahren müssten. „Es ist einfach atemberaubend“, schwärmte sie, während sie mir Bilder von dichten Wäldern, glitzernden Seen und fröhlich winkenden Elchen auf ihrem Tablet zeigte. „Wir werden wandern, die frische Luft genießen, und es gibt nichts Entspannenderes!“
Dass sie „Entspannung“ und „Wandern“ in einem Satz erwähnte, war für mich schon der erste Hinweis, dass dieser Urlaub in Dalarnas län zu einem epischen Desaster führen würde. Wandern war für mich etwa so entspannend wie ein Zahnarztbesuch mit zusätzlicher Wurzelbehandlung. Doch wie es in jeder Ehe üblich ist, hatte ich wenig Mitspracherecht, und so fand ich mich bald in einem vollgepackten Kleinwagen wieder, mit Wanderschuhen an den Füßen, die so neu waren, dass sie noch knarzten, und einer Landkarte in der Hand, die so kompliziert war wie eine Bedienungsanleitung für einen Atomreaktor.
„Es wird toll“, sagte Barbara fröhlich, während sie den Wagen durch die endlosen Wälder von Dalarnas län steuerte. Ich schielte auf die Karte, die ich verkehrt herum hielt, und fragte mich insgeheim, wie es Menschen in einer modernen Gesellschaft überhaupt noch schaffen, sich ohne GPS zu orientieren.
Unser Ziel war eine abgelegene Hütte am Rande eines großen Sees. Der Vermieter hatte sie uns als „rustikal, aber charmant“ beschrieben. Was er nicht erwähnt hatte, war, dass „rustikal“ in diesem Fall bedeutete, dass die Hütte etwa zur Zeit der Wikinger erbaut worden war und seitdem keine nennenswerten Renovierungsarbeiten mehr stattgefunden hatten. Die „romantische“ Außentoilette befand sich etwa 50 Meter von der Hütte entfernt, was bei den hiesigen Mückenpopulationen einem Überlebenstraining glich. Die Inneneinrichtung bestand hauptsächlich aus knarrenden Holzmöbeln und einem Kamin, der eher wie ein museales Relikt aussah, als dass er tatsächlich funktionierte.
„Ist das nicht fantastisch?“, strahlte Barbara, während sie die verstaubten Vorhänge aufzog, durch die kein Sonnenlicht, sondern eine Wolke von Spinnweben fiel. Ich, unfähig, ihrer Begeisterung zu folgen, betrachtete die Hütte mit einem Anflug von Verzweiflung. „Es ist… anders“, brachte ich schließlich hervor, was natürlich sofort mit einem energischen „Das ist echte Natur, mein Lieber!“ beantwortet wurde.
Am nächsten Morgen begann dann das eigentliche Abenteuer. Wir standen früh auf, um „die Natur von Dalarnas län in ihrer vollen Pracht zu erleben“ – also mit anderen Worten: um kilometerlang bergauf zu laufen, während ich verzweifelt versuchte, meine neu erworbenen Wanderschuhe irgendwie an meine Füße zu gewöhnen, die mittlerweile das Gefühl hatten, in einem Schraubstock gefangen zu sein.
Die Wanderung verlief, wie zu erwarten, nicht ganz nach Plan. Schon nach der ersten halben Stunde war ich außer Atem, Barbara hingegen hüpfte wie eine Bergziege fröhlich voraus und wies begeistert auf jeden Stein und Baum hin, den wir passierten. „Sieh mal, ist das nicht wunderschön?“ rief sie und deutete auf einen besonders großen Felsen.
„Ja, ja, wunderschön“, keuchte ich, während ich versuchte, meine Lungen daran zu hindern, endgültig zu kollabieren.
Als wir nach einer gefühlten Ewigkeit den ersten Gipfel erreichten, legte Barbara eine Karte auf den Boden, als wollte sie mir beweisen, dass wir uns tatsächlich in Dalarnas län und nicht auf einem anderen Planeten befanden. Ich setzte mich schnaufend auf einen Baumstumpf und beobachtete sie, wie sie mit ungebrochenem Enthusiasmus die Umgebung abscannte. Mein innerer Zyniker meldete sich: Was macht eigentlich der Dalarnas Tourismusverband mit den ganzen Wanderopfern? Gibt es dafür Massengräber oder einfach nur stille Abführungen im Wald?
Doch bevor ich diesen Gedanken zu Ende denken konnte, hörte ich plötzlich ein leises Summen. Kein Summen der Natur, sondern ein vertrautes, elektrisches Geräusch. Barbara drehte sich mit einem breiten Grinsen zu mir um. „Überraschung!“ Sie zog eine kleine Drohne aus ihrem Rucksack. „Ich dachte, wir machen ein paar schöne Luftaufnahmen von unserer Wanderung!“
Eine Drohne. Im Urlaub. In Dalarnas län, mitten in der Natur. Ich hätte weinen können. „Na klar“, murmelte ich, während ich das kleine Fluggerät beobachtete, wie es in den Himmel stieg und seine Runden drehte. Es dauerte etwa drei Minuten, bis das unvermeidliche passierte: Die Drohne kollidierte mit einem Baum und stürzte ab. Das war der Moment, in dem Barbara zum ersten Mal während dieses Urlaubs so etwas wie Enttäuschung zeigte.
„Ich hab’s dir gesagt“, brachte ich trocken hervor, als wir das Wrack aus den Ästen fischten. „Technik und Natur – das verträgt sich einfach nicht.“
Nach dieser Drohnen-Katastrophe gingen die Dinge bergab. Im wahrsten Sinne des Wortes. Der Weg zurück zur Hütte, der laut Wanderführer „leicht abschüssig und gut begehbar“ sein sollte, verwandelte sich in eine Rutschpartie, bei der ich mehrere Male spektakulär stürzte und mich so tief in eine schlammige Pfütze legte, dass selbst die wild lebenden Tiere mich neugierig beäugten.
Als wir schließlich wieder an unserer Hütte ankamen, mit schmerzenden Füßen, schlammbedeckter Kleidung und einer halb zerstörten Drohne im Gepäck, beschloss ich, dass ich eine Belohnung verdient hatte. „Wie wäre es mit einem gemütlichen Abend am Kamin?“, schlug ich vor, in der Hoffnung, wenigstens ein bisschen Urlaubsstimmung aufkommen zu lassen.
Doch auch hier wartete Dalarnas län mit seiner eigenen speziellen Form von Humor auf mich. Der Kamin, der so verlockend nach prasselndem Feuer aussah, verweigerte jegliche Zusammenarbeit. Nach etwa einer Stunde erfolgloser Versuche, das Feuer zu entfachen – begleitet von dichten Rauchschwaden, die uns beinahe aus der Hütte vertrieben – gab ich auf. „Vielleicht sollten wir morgen nach einem Fachmann fragen“, schlug ich müde vor.
Barbara nickte nur und lächelte. „Ach, es war trotzdem ein toller Tag, findest du nicht? So viele Abenteuer!“
Ich sah sie an, meine schmerzenden Füße, die schlammige Kleidung und das rußgeschwärzte Gesicht ignorierend, und musste tatsächlich lachen. Denn in diesem Moment erkannte ich die Lektion, die Dalarnas län mir beibrachte: Manchmal ist es egal, wie sehr man sich bemüht, den perfekten Urlaub zu haben – das Chaos findet immer seinen Weg. Aber vielleicht ist das gerade das Schöne daran.
Und so endete mein Albtraum-Urlaub in Dalarnas län doch irgendwie mit einem Happy End. Ich nahm mir fest vor, nie wieder zu wandern – aber falls doch, dann mit einer Drohne, die definitiv zu Hause bleibt.