Ein Neuanfang in Blekinge län
Stefan war schon immer ein Gewohnheitstier gewesen. Seine Tage liefen wie ein Uhrwerk ab: morgens aufstehen, zur Arbeit hetzen, abends erschöpft nach Hause kommen und dann Netflix bis in die Nacht hinein. Der Gedanke, alleine in den Urlaub zu fahren, kam ihm seltsam vor. Doch nach dem Ende seiner langjährigen Beziehung und dem ständigen Drängen seiner Freunde, „mal etwas für sich selbst zu tun“, buchte er schließlich einen einwöchigen Aufenthalt in Blekinge län, einer Küstenregion in Südschweden. Es sollte eine Reise der Selbstfindung werden – auch wenn er das anfangs nicht wirklich glaubte.
Der kleine Ferienort, in dem Stefan untergebracht war, lag an der Küste, umgeben von idyllischen Wäldern und kristallklarem Wasser. Die Region Blekinge län, bekannt für ihre Ruhe und die atemberaubende Schönheit ihrer Schäreninseln, schien der perfekte Ort zu sein, um dem Alltag zu entfliehen. Doch als Stefan in seiner kleinen Ferienhütte ankam, fühlte er sich seltsam fehl am Platz. Allein im Urlaub zu sein, ohne jemanden, mit dem er seine Erlebnisse teilen konnte, war ungewohnt. „Was soll ich hier nur tun?“, dachte er sich und sah durch das Fenster auf das weite Meer hinaus.
Am ersten Tag erkundete er die Gegend mit dem Fahrrad, das er sich im Dorf geliehen hatte. Die sanften Hügel, die duftenden Wälder und die einsamen Strände von Blekinge län waren zweifellos wunderschön, aber Stefan konnte sich nicht wirklich entspannen. Immer wieder griff er nach seinem Handy, nur um festzustellen, dass es keine neuen Nachrichten gab. „Vielleicht war es doch keine so gute Idee“, murmelte er vor sich hin, während er auf einer Anhöhe anhielt, um die Aussicht zu genießen. Der Wind trug den salzigen Duft des Meeres mit sich, und in der Ferne sah er einige der berühmten Schäreninseln, die wie kleine grüne Punkte im Wasser lagen.
Am zweiten Tag beschloss Stefan, eine der Schäreninseln zu besuchen. Mit dem kleinen Fährboot fuhr er hinaus, inmitten einer Gruppe von Touristen, die lachend ihre Kameras zückten und Fotos von den Seevögeln machten. Stefan stand abseits, die Hände in den Taschen, und fragte sich, ob er jemals wieder das Gefühl von Zugehörigkeit empfinden würde. Er dachte an seine Ex-Freundin, an die endlosen Gespräche, die sie früher geführt hatten, und an die Momente, die sie jetzt, so viele Kilometer entfernt, mit jemand anderem erlebte. Er versuchte, diese Gedanken zu verdrängen, doch sie nagten an ihm.
Die Insel, auf der er landete, war ein Paradies aus Granitfelsen, üppigen Kiefern und kleinen Holzhäusern, die sich an den Küstenrand schmiegten. Stefan wanderte eine Weile ziellos umher, als er plötzlich ein kleines Café entdeckte, das von einer älteren Dame geführt wurde. Sie lächelte ihn an, als er eintrat, und bot ihm einen Kaffee und ein Stück frisch gebackenen Apfelkuchen an. „Das ist das Beste an Blekinge län“, sagte sie freundlich. „Die Ruhe, das Meer und natürlich der Kuchen.“
Stefan setzte sich auf die Terrasse des Cafés und beobachtete die friedliche Szene um sich herum. Die Gespräche der anderen Gäste verschwammen zu einem leisen Hintergrundgeräusch, während die Wellen sanft an die Felsen schlugen. Für einen kurzen Moment fühlte er sich tatsächlich entspannt. Vielleicht war es nicht so schlimm, allein hier zu sein. Vielleicht war es sogar genau das, was er brauchte.
Am dritten Tag, als er beschloss, wieder eine Wanderung entlang der Küste von Blekinge län zu unternehmen, bemerkte er eine Frau, die ihm immer wieder über den Weg lief. Zuerst sah er sie, als er am frühen Morgen einen abgelegenen Pfad durch den Wald nahm. Sie trug einen großen Rucksack und hatte eine Kamera um den Hals hängen. Ihre braunen Haare waren zu einem lockeren Zopf gebunden, und sie schien genauso in die Landschaft vertieft zu sein wie er selbst.
Als Stefan sie später am Tag wieder sah, diesmal an einem einsamen Strand, lächelte sie ihm zu. „Scheint, als wären wir die einzigen, die diese Wanderroute kennen“, sagte sie und reichte ihm die Hand. „Ich bin Liv.“
„Stefan“, antwortete er und nahm ihre Hand. Ihre Offenheit überraschte ihn, und sie kamen sofort ins Gespräch. Liv erzählte ihm, dass sie Fotografin sei und eine Reportage über die Küste von Blekinge län mache. „Ich liebe diese Region“, sagte sie und blickte auf das Meer hinaus. „Hier kann man wirklich durchatmen, weit weg von all dem Trubel.“
Stefan fühlte sich auf seltsame Weise zu Liv hingezogen. Ihre positive Art und die Begeisterung, mit der sie über die Natur und die Menschen in Blekinge län sprach, steckten ihn an. Die nächsten Tage verbrachten sie immer wieder miteinander – sie gingen zusammen wandern, machten Fotos und tauschten Geschichten aus. Liv zeigte ihm ihre Lieblingsplätze in der Region, versteckte Buchten und geheime Wanderpfade, die selbst Stefan als Naturliebhaber nicht gekannt hätte.
An ihrem letzten gemeinsamen Abend saßen sie zusammen auf einer Felsklippe, die über das Meer ragte. Die Sonne ging langsam unter, tauchte den Himmel in ein warmes, goldenes Licht, und die Möwen kreisten über ihren Köpfen. Stefan konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so friedlich und gleichzeitig lebendig gefühlt hatte.
„Was machst du morgen?“, fragte Liv und drehte sich zu ihm um.
„Ich… fahre zurück nach Hause“, sagte Stefan zögernd. „Ich glaube, mein Urlaub in Blekinge län ist vorbei.“
Liv nickte und lächelte traurig. „Es ist schwer, einen Ort wie diesen zu verlassen. Aber vielleicht kommst du ja wieder.“
Stefan wusste nicht, was er sagen sollte. Da war etwas in ihrem Blick, das ihn festhielt, etwas, das ihn daran erinnerte, dass es im Leben nicht nur darum ging, an einem Ort festzustecken, sondern auch darum, neue Wege zu finden – und Menschen, die diese Wege mit einem teilen könnten.
Als er am nächsten Morgen abreiste, fühlte sich der Abschied nicht wie ein Ende an. Im Gegenteil, es war ein Neuanfang. Liv und er hatten Nummern ausgetauscht, und während er durch die Wälder von Blekinge län fuhr, spürte er, dass er nicht nur einen Urlaub hinter sich ließ, sondern auch ein Stück seines alten Selbst.
Es war keine große, dramatische Liebesgeschichte, die in Blekinge län ihren Anfang genommen hatte. Aber es war der Beginn von etwas Neuem – einer leisen Veränderung in Stefan, der Erkenntnis, dass man manchmal weit reisen muss, um sich selbst wiederzufinden. Und vielleicht, nur vielleicht, würde er eines Tages zurückkehren – nicht als Single-Reisender, sondern als jemand, der etwas gefunden hatte, das er gar nicht gesucht hatte.
Blekinge län hatte ihm mehr gegeben, als er je erwartet hätte.