…wenn alles schiefgeht, was schiefgehen kann.
Es war der heißersehnte Sommerurlaub der Familie Meier, und das Ziel war gesetzt: Kronobergs län, eine idyllische Region in Schweden, berühmt für ihre Wälder, Seen und die friedliche Natur. Es sollte der perfekte Familien-Campingtrip werden – zumindest in der Theorie.
„Es wird großartig!“, verkündete Vater Klaus optimistisch, während er den sperrigen Wohnwagen an das Auto koppelte. „Die Kinder werden die Natur lieben, und wir können endlich mal abschalten.“ Mutter Sabine war da skeptischer. „Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist, Klaus? Du weißt, dass die Kinder nicht gerade naturverbunden sind.“
Und tatsächlich, als Jonas, der elfjährige Sohn, und seine jüngere Schwester Lina, die acht Jahre alt war, die Nase vom Handy und Tablet hoben, um in die Realität der langen Autofahrt einzutauchen, war die Begeisterung eher verhalten. „Müssen wir wirklich Zelten?“, fragte Jonas, der sich mehr für Minecraft als für echte Wälder interessierte. „Gibt es dort überhaupt WLAN?“, wollte Lina wissen.
„Es wird ein Abenteuer!“, erklärte Klaus entschlossen. „In Kronobergs län findet ihr das echte Leben!“ Sabine seufzte leise und machte es sich mit einer Thermoskanne Kaffee auf dem Beifahrersitz bequem.
Die Fahrt verlief zunächst reibungslos, abgesehen von den üblichen „Wann sind wir da?“-Fragen und der gelegentlichen Diskussion darüber, wer als nächstes die Musik aussuchen durfte. Doch als sie in Kronobergs län ankamen, schien sich das Schicksal gegen die Familie Meier zu verschwören.
Das erste Problem kam in Form des Campingplatzes: „Hier soll das sein?“ fragte Sabine und sah skeptisch auf das Schild, das halb von Unkraut überwuchert war. Der Platz war weniger idyllisch als erwartet. Statt am See zu liegen, befand er sich an einem kleinen, sumpfigen Teich, umgeben von dichtem Wald, der eher nach Mückenparadies aussah. Klaus versuchte, seine Begeisterung aufrechtzuerhalten. „Ach, das ist doch rustikal!“
„Rustikal“, stellte sich jedoch bald als Untertreibung heraus. Nachdem Klaus erfolglos versucht hatte, das Zelt aufzubauen – es stellte sich heraus, dass sie die falschen Heringe mitgenommen hatten –, wurde Sabine von einem besonders aggressiven Schwarm Mücken attackiert. Jonas, der inzwischen die Hoffnung auf WLAN aufgegeben hatte, stolperte in den Teich und kam völlig durchnässt und voller Schlamm zurück, während Lina schrie, weil sie meinte, eine Schlange im Gras gesehen zu haben.
„Das kann doch nicht wahr sein“, murmelte Sabine und zog den Sohn am Arm zurück aufs Trockene. „Klaus, warum machen wir das nochmal?“ Klaus, der schweißüberströmt versuchte, das Zelt gegen den Wind aufzurichten, grinste gequält. „Wegen der Naturerfahrung, Schatz.“
Als das Zelt schließlich stand – schief, aber immerhin aufrecht –, brachen neue Probleme los. Der Gasherd streikte, was bedeutete, dass das geplante Grillen ins Wasser fiel. Stattdessen gab es lauwarme Dosenbohnen, die keiner wirklich essen wollte. „Das ist widerlich“, beschwerte sich Jonas, während Lina ihre Bohnen mit einem misstrauischen Blick bedachte.
Die Nacht brachte wenig Besserung. Der Wind nahm zu, und das Zelt flatterte bedrohlich. Sabine, die ohnehin keine gute Schläferin war, wachte immer wieder auf und zog die Schlafsäcke der Kinder enger. Jonas, der inzwischen beschlossen hatte, dass er lieber im Auto als im Zelt schlafen wollte, verbrachte die Nacht auf der Rückbank, während Lina fest davon überzeugt war, dass das Zelt von Monstern umzingelt war.
Am nächsten Morgen war die Stimmung auf einem neuen Tiefpunkt, doch Klaus gab nicht auf. „Heute erkunden wir Kronobergs län! Es gibt hier wunderschöne Wanderwege.“ Sabine verdrehte die Augen, während sie die Überreste der Dosenbohnen in den Müll warf. „Wanderwege, wirklich?“
Doch trotz des schlechten Starts machten sie sich auf den Weg – mit mäßiger Begeisterung der Kinder. Die Wanderroute, die Klaus ausgesucht hatte, führte durch einen dichten Wald, der tatsächlich wunderschön war. Hohe Bäume, Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach fielen, und Vogelgezwitscher. Es hätte so idyllisch sein können, wäre da nicht ein winziges Detail gewesen: Die Familie hatte sich verlaufen.
„Ich wusste, dass das passieren würde“, murmelte Sabine, während sie auf Google Maps starrte, das aufgrund des schlechten Empfangs natürlich nicht funktionierte. Klaus studierte die Wanderkarte, die er offenbar falsch gelesen hatte. „Es ist nur ein kleiner Umweg.“
„Papa, ich habe Hunger“, maulte Lina, während Jonas völlig genervt eine Handvoll Beeren in den Mund stopfte, die er im Wald gefunden hatte. „Ich glaube, die kann man essen“, sagte er, während Sabine entsetzt die Augen aufriss. „Spuck das aus! Was, wenn die giftig sind?“ Jonas zog eine Grimasse, bevor er die Beeren zögerlich ausspuckte.
Gerade als die Stimmung auf dem Tiefpunkt war, hörten sie plötzlich ein lautes Grollen. Klaus, der inzwischen alle seine Abenteuerlust verloren hatte, sah in den Himmel. „Das ist nicht dein Ernst…“ Der Himmel war dunkelgrau, und der Regen begann in dicken Tropfen zu fallen. Innerhalb von Minuten waren sie alle klitschnass.
„Wir kehren um“, beschloss Sabine, während sie versuchte, die Haare aus ihrem Gesicht zu wischen. „Das war’s. Ich will nur noch ins Zelt und in trockene Klamotten.“ Doch der Rückweg war nicht so einfach wie gedacht, und es dauerte weitere zwei Stunden, bis sie endlich den Campingplatz wiederfanden – durchgefroren, hungrig und völlig erledigt.
Doch wie durch ein Wunder endete der Tag nicht im völligen Chaos. Als der Regen aufhörte und die Sonne wieder herauskam, fand Klaus eine kleine Holzveranda, die von einem freundlichen Nachbarn auf dem Campingplatz zum Trocknen von Kleidung genutzt wurde. Er half der Familie Meier mit warmen Getränken und einem Grill, der tatsächlich funktionierte.
Später am Abend saßen sie alle zusammen – Lina und Jonas mit knusprigen Marshmallows, Sabine mit einem Glas Rotwein und Klaus, der lächelnd den Sternenhimmel betrachtete. „Na, war doch gar nicht so schlimm, oder?“
Sabine lachte und schüttelte den Kopf. „Schlimmer geht’s wohl nicht mehr. Aber weißt du was? Irgendwie war es am Ende doch schön.“
„Schön chaotisch“, fügte Jonas hinzu und grinste. Lina kuschelte sich in Sabines Schoß und flüsterte: „Können wir nächstes Jahr wieder nach Kronobergs län?“
Und so hatte die Familie Meier trotz aller Katastrophen doch noch einen denkwürdigen Urlaub – chaotisch, lustig und am Ende voller kleiner Momente, die sie noch lange zum Lachen bringen würden.